Kein Hass mehr

Die Puppe der Wanda Zatryb (2011)

Unter dem gemusterten Kopftuch schaut kurzes, blondes Haar hervor. Bekleidet ist die Puppe mit Lumpen: einer kurzärmeligen Bluse und einem löchrigen Rock; darunter trägt sie gestreifte Unterhosen. Die groben grauen Socken haben rote Flicken an den Fersen. Auf die Rückseite von Bluse und Rock sind Kreuze aus andersfarbigem Stoff genäht. Am linken Ärmel kann man eine Lagernummer und das rote Dreieck für politische Gefangene erkennen, eine weitere Nummer ist auf die Vorderseite der Bluse geheftet. An der linken Hand ist mit einem Band ein Beutel aus Stoff befestigt. Die Puppe ist aus Stoffresten gebastelt und 23 cm groß. Sie hat sehr dünne Arme und Beine. Das Gesicht ist mit nur wenigen Strichen angedeutet.

Wanda Zatryb sitzt in der Mitte.

 Wanda Zatryb, eine Überlebende des KZ Außenlagers Kleinmachnow, hat die kleine Figur nach dem Krieg für ihre Lagerfreundin Maria Zarębska angefertigt. Die beiden haben sich als sehr junge Frauen im KZ Kleinmachnow kennen gelernt und sind bis zu Maria Zarębskas Tod im Jahr 2003 enge Freundinnen geblieben. Nach dem Tod ihrer Freundin hat Wanda Zatryb die Puppe Angela Martin und Ewa Czerwiakowski geschenkt, die etwa 50 Überlebende des KZ Außenlagers Kleinmachnow interviewt und Auszüge aus diesen Lebensberichten in zwei Büchern veröffentlicht haben.

Die Berichte der Überlebenden bestätigen, dass die kleine Figur die Situation der Häftlinge sehr realistisch darstellt. Es fehlen nur die Holzschuhe, die die Frauen während der Haft und auf dem Todesmarsch tragen mussten. Die Stoffpuppe symbolisiert das Elend des Lebens der Frauen im Konzentrationslager Kleinmachnow, aber auch in anderen KZ Außenlagern.

„In Kleinmachnow haben wir alle einen Beutel bekommen. Darin haben wir alles aufbewahrt, was wir besessen haben: Zahnbürste, Zahnpasta, Kamm und Brot. Der Mensch war eine Nummer mit einem Beutel.“ Wandas Zatryb im Gespräch Angela Martin und Ewa Czerwiakowski

Die Häftlinge erhielten Lagernummern, die mit dem Winkel an den Ärmel genäht wurden.

Noch in Ravensbrück wurden völlig willkürlich Kleidungsstücke verteilt. Sie entsprachen meist in keiner Weise den Bedürfnissen der Häftlinge, ihrem Arbeitseinsatz und der Witterung. Oft fehlten Unterwäsche und Strümpfe. In den Interviews sprechen die ehemaligen Häftlinge immer wieder über die Kälte, der sie vor allem während der Appelle ausgesetzt waren.

Die Sachen wurden sorgfältig gestopft und geflickt. Die Frauen trugen Kopftücher – auch, weil man ihnen häufig die Köpfe kahlgeschoren hatte. Kreuze auf der Kleidung kennzeichneten die Frauen als KZ Häftlinge und sollten Fluchtversuche erschweren.

11 Jugendliche einer 8. Klasse der Freien Oberschule Finow im Alter von 14 und 15 Jahren erfuhren 2012 in einer Projektwoche etwas über die Lebensbedingungen in einem KZ Außenlager.

Mit Hilfe der Informationen der Überlebenden, denen wir unsere Kenntnisse über die KZ Außenlager Kleinmachnow und Eberswalde verdanken, konnten die Jugendlichen selbst ähnliche Puppen herstellen und so das oberflächliche, klischeehafte Bild von Häftlingen in gestreiften Uniformen zugunsten konkreter Vorstellungen überwinden. Puppen und von den Jugendlichen den Puppen zugeordnete ausgewählte Berichte der Überlebenden wurden Teil unserer Dauerausstellung.

Das Projekt “Die Puppe der Wanda Zatryb“ wurde gefördert von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, von der Koordinierungsstelle “Tolerantes Brandenburg” durch die Stadt Eberswalde sowie im Rahmen des Jugendprogramms Zeitensprünge, gefördert durch die Stiftung Demokratische Jugend und das Land Brandenburg. (verschiedene Einzelprojekte)